Umfrage
des Tages

Siphoniker reden mit!

Autoren

Cengiz Kulaksiz

Da ich 1997 begonnen habe in der HKLS – Branche zu arbeiten und mich seit 2008 tagtäglich mit KundInnen über die Entwässerung von Abwasser austausche, möchte ich gerne an dieser Stelle meine Erfahrungen mit Ihnen teilen. Gleichzeitig informiere ich mich als langjähriges Mitglied im österreichischen Normungsausschuss über zukünftige Herausforderungen in der Gebäudeentwässerung.
Newsletter

Ja ich will Siphoniker werden

Und melde mich hiermit zum kostenlosen Newsletter an, um über neue Beiträge informiert zu werden und weitere Vorteile zu erhalten.

Von Luft und Leitungen: Die Kunst der Rohrlüftung

In der Sanitärtechnik ist eine zuverlässige Abwasserentsorgung von entscheidender Bedeutung. In diesem Artikel werden wir uns eingehend mit der Rolle der Belüftung und Entlüftung in Abwassersystemen gemäß der ÖNORM befassen. Erfahren Sie, wie ein gezielter Ausgleich von Unterdruck und Überdruck dazu beiträgt, unerwünschte Nebeneffekte wie Geruchsbelästigung und Gesundheitsrisiken zu minimieren.

Die Seestadt Aspern im Nordosten Wiens ist das derzeit größte Wohnbau- bzw. Stadtentwicklungsprojekt Europas und soll bis 2030 über 25 000 Personen Raum zum Leben bieten. Im Vergleich dazu hat Mistelbach in NÖ ca. 11000 Einwohner. Wohnraum für so viele Personen auf engem Raum zu schaffen bringt viele bauliche Herausforderungen mit sich. Eine große Rolle hierbei spielt auch die Trinkwasserver- und vor allem die Abwasserentsorgung.

Der durchschnittliche Österreicher verbraucht ca. 130 Liter Frischwasser pro Tag innerhalb seines Haushalts. Das bedeutet am Beispiel der Seestadt Aspern ca. 3 Millionen Liter Abwasser die täglich entsorgt werden müssen. Damit diese Menge an Wasser auch ordnungsgemäß und ohne unangenehme Nebeneffekte abrinnen kann, ist ein ausgeklügeltes Entwässerungssystem notwendig. Häufige Probleme die bei schlechter Planung oder Installation von Abwasserrohren entstehen sind z.B. Geruchsentwicklung, Lärm (z.B. Gurgeln im Waschbecken) oder unzureichende Ablaufleistung und die damit einhergehenden Folgeschäden. In extremen Fällen kann ein schlechtes Abwasserrohrsystem sogar ein Gesundheitsrisiko darstellen, z.B. bei giftigen Faulgasen die in die Wohnräumlichkeiten eintreten.

Wichtig bei der sachgemäßen Verlegung von Entwässerungsrohren ist die Abwasserrohrlüftung (Rohrbelüftung und Rohrentlüftung). Denn egal ob Einfamilienhaus oder Wohnhausanlage – korrekte Lüftung für Abwasserrohre ist eine absolute Notwendigkeit um Wasser effektiv und ordnungsgemäß zu entsorgen.

Abbildung 1: Seestadt Aspern

Unterscheidung Belüftung bzw. Entlüftung

Die Be- und Entlüftung erfolgt über Lüftungsleitungen die als Verbindung zwischen der Abwasserleitung und der Atmosphäre für den notwendigen Druckausgleich sorgen. Dabei werden Rohrbelüftung und Rohrentlüftung fälschlicherweise häufig als Synonym für einander verwendet. Dabei handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Thematiken die unterschiedliche Probleme mit sich bringen.

Die Überdruck Thematik

Bei der Abwasserrohrentlüftung geht es darum einen Überdruck im Rohrsystem zu beseitigen bzw. diesen Überdruck zu entlüften. Überdruck im Rohrleitungssystem entsteht zum einen durch Faulgase in der Kanalisation. Zum Anderen aber auch durch Leitungsumlenkungen in der die Strömung im Umlenkbereich von Geschwindigkeitsenergie in Druckenergie umgesetzt wird, dabei entsteht eine zusätzliche Luftkomprimierung die das Bestreben hat nach oben zu entweichen. Bei hohem Überdruck im Rohrsystem kommt es zu unerwünschten Erscheinungen in den Entwässerungsanlagen. Der Überdruck kann so stark sein, dass das Wasser vom Abrinnen gehindert wird (der Überdruck im System wirkt als Luftpolster der Wasser am Ablaufen hindert), dass es zu Störgeräuschen kommt („Gluckern“ oder „Gurgeln“ in z.B. Waschbecken) oder, dass Faulgasse in den Wohnraum gelangen (durch Überdruck wird Gas durch die Wasserbarriere des Siphons „gedrückt“). Die Probleme die durch fehlende/falsche Entlüftung entstehen sind daher vielfältig und reichen von Wasserschäden durch fehlende Ablaufkapazitäten bis hin zu Geruchsbelästigung und Gesundheitsschäden durch Faulgase.

Die Unterdruck Thematik

Bei der Abwasserrohrbelüftung geht es darum einen Unterdruck im Rohrsystem zu verhindern. Stellen Sie sich vor Sie wollen eine volle Flasche mit kleiner Öffnung schnell entleeren. Sobald man die Flasche umdreht wird sich diese unter Gurgelgeräuschen nur langsam und ungleichmäßig entleeren. Sticht oder bohrt man nun ein Lüftungsloch in den Boden der Flasche wird man erkennen, dass das Entleeren der Flasche deutlich schneller und gleichmäßiger abläuft. Der Grund dafür ist, dass durch das Belüftungsloch im Boden der Flasche Luft eingezogen werden kann, welche notwendig ist um den Unterdruck zu verhindern, der für das Gurgeln verantwortlich ist. Auch in Abwassersystemen innerhalb eines Hauses soll Unterdruck der durch das herabstürzenden des Abwassers in der Fallleitung verursacht wird, verhindert werden. Ein zu hoher Unterdruck im System verursacht ein Leersaugen der Siphons in den Entwässerungsanlagen des Hauses. Die Folge davon ist Geruchsbelästigung oder sogar Gesundheitsschäden durch Faulgase welche nun in den Wohnraum entweichen können. Deshalb ist auch die Belüftung des Entwässerungssystems eine Notwendigkeit.

Fallleitung und Anschlussleitung

Die Rohrbelüftung bzw. -entlüftung ist an verschiedenen Stellen des Abwassersystems möglich. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen der Hauptlüftung an der Fallleitung (über Dach) und der Belüftung an den Anschlussleitungen (direkt bei den Verbrauchern bzw. Ablaufstellen).

Abbildung 2: Schematische Darstellung von Fallleitung und horizontaler Anschlussleitung

Fallleitung über Dach

Alle senkrechten Schmutz- bzw. Abwasserleitungen werden als Fallleitungen bezeichnet. Gemäß ÖNORM B 2501 muss jede Fallleitung zur Be- und Entlüftung offen ins Freie über Dach geführt werden. Wichtig dabei ist, dass die Fallleitungen möglichst ohne Umlenkungen und mit gleichbleibendem Querschnitt verlegt werden, da sonst die Lüftungskapazitäten beeinträchtigt sind. Der Abschluss der Fallleitung kann je nach Dachart unterschiedlich gestaltet werden. Beispiele hierfür wären z.B. Funktionsziegel für Schrägdächer oder Lüftungsdurchführungen für Flachdächer.

Die Fallleitung über Dach erfüllt sowohl den Zweck der Belüftung als auch der Entlüftung ist aber gerade für die Entlüftung essentiell. Anders als die Belüftung kann die Entlüftung nämlich nicht direkt an den Anschlussstellen gelöst werden, sondern es muss immer ins Freie entlüftet werden, da sonst Kanalgase in den Wohnraum gelangen.

Häufig wird argumentiert, dass eine Entlüftung über Dach kompliziert ist und einen Mehraufwand von Material und Arbeitszeit bedeutet, sowie mit Wärmeverlusten verbunden ist die bei der Durchdringung der Gebäudehülle entstehen. Diese Argumente dürfen nicht als Grund für den Verzicht der Entlüftung über Dach dienen, da bei Verwendung einer ausreichenden Wärmedämmung der Fallleitung Wärmeverluste verhindert werden können. Die Führung einer Fallleitung über Dach ist unerlässlich für ein funktionierendes Entwässerungssystem und darf nicht umgangen werden.

Abbildung 3: Lüftung über Dach

Horizontale Anschlussleitungen zu den Ablaufstellen

Neben den Fallleitungen werden selbstverständlich auch horizontale Anschlussleitungen zu den jeweiligen Ablaufstellen (z.B. Bodenablauf, WC, Waschbecken, …) verlegt. Ab einer Leitungslänge von 4m – also ab 4m Abstand zwischen Ablaufstelle und Fallleitung – muss auch eine horizontale Leitung „belüftet“ werden. Zur Erinnerung: Die Belüftung ist notwendig, da durch das ablaufende Wasser sonst ein Unterdruck entsteht der Siphons in z.B. WC oder Bad leersaugt und in weiterer Folge Kanalgase in den Wohnraum eintreten können.

Abbildung 4: Vier Meter Leitungslänge zwischen Waschbecken und Fallleitung

Es gibt zwei Möglichkeiten wie die Belüftung von horizontalen Anschlussleitungen gelöst werden kann. Die Erste ist eine sogenannte Umlüftung. Hier erfolgt die Lüftung der Einzel- bzw. Sammelanschlussleitung über zusätzliche Lüftungsleitungen die im selben Geschoß zurück in die Fallleitung „umgelüftet“ werden. Alle horizontalen Ablaufleitungen werden dadurch aus der Be- und Entlüfteten Fallleitung mit Luft versorgt um Unterdrücke im Leitungssystem zu vermeiden. Umlüftungen sind jedoch aufwendig und mit mehr Arbeitszeit und einem höheren Materialverbrauch verbunden. Die einfachere Lösung ist die Installation eines Rohrbelüfters. Je nach Anschlussstelle gibt es unterschiedliche Rohrbelüfter, welche aber alle demselben Grundprinzip folgen: Der Rohrbelüfter ist ein Belüftungsventil welches bei Überdruck dichthält und keine Kanalgase austreten lässt, jedoch bei Unterdruck öffnet und Luft in das Rohrsystem lässt.

Abbildung 5: Funktionsprinzip Rohrbelüfter

Welcher Rohrbelüfter soll verbaut werden?

Ein Rohrbelüfter wird also verbaut um einen Unterdruck im Rohrleitungssystem mit dem atmosphärischen Luftdruck auszugleichen. Das soll verhindern, dass Siphons leergesaugt werden, und somit Gerüche aus dem Kanal in den Wohnraum aufsteigen können. Rohrbelüfter werden fälschlicherweise häufig als Problemlöser betrachtet. Eine frühzeitige Planung dieser kann jedoch spätere Reklamationen und Probleme vorbeugen. Wie schon zuvor erwähnt schreibt die Norm ÖNORM EN 12056-2:2000 ab 4m leitungslänge der horizontalen Anschlussleitung eine Belüftung der Leitung vor.

Für die Rohrbelüfter ergeben sich verschiedene Einbauszenarien:

Rohrbelüfter für Einzel- bzw. Sammelanschlussleitungen

  • Die Rohbelüfter direkt an den horizontalen Anschlussleitungen sollen verhindern, dass die Gerüchsverschlüsse an den Ablaufstellen leergesaugt werden und somit Geruchsbelästigung verhindern
  • Der Rohrbelüfter ist an der am weitesten vom Fallstrang entfernten Ablaufstelle zu installieren (siehe Abbildung)
  • Am Dachboden oder im Keller können herkömmliche Rohrbelüfter wie z.B. der HL900N verwendet werden
  • Im Badezimmer sind Unterputz-Rohrbelüfter (wie z.B. HL905N) zu empfehlen da dieser Unterputz verlegt werden kann und somit optisch ansprechender ist
  • Siehe Abbildung 2 Mitte

Rohrbelüfter für Küchen- und Waschtischsiphons

  • Im Problemfall können auch nachträglich direkt an den betroffenen Ablaufstellen (z.B. Küchensiphon) Rohrbelüfter installiert werden
  • Hierfür geeignet ist z.B. HL904 oder HL903. Durch deren kleine Bauart finden diese Rohrbelüfter auch leicht unter dem Waschtisch oder der Küchenspüle Platz.
  • Siehe Abbildung 2 unten

Reinigung und Wartung

Belüftungsventile sind so zu installieren, dass sie im Falle eines Defekts ohne bauliche Maßnahmen ausgetauscht werden können. Für eine einwandfreie Funktion ist eine ausreichende Luftzufuhr aus dem umgebenden Raum zu gewährleisten. Solange bei den angeschlossenen Ablaufstellen und dem Belüftungsventil keine Geruchsbelästigung durch Kanalgase zu beklagen ist, kann von einer einwandfreien Funktion ausgegangen werden.

Fazit

Die korrekte Abwasserentsorgung in Großprojekten erfordert ein durchdachtes Entwässerungssystem. Erfahren Sie mehr über die Anwendung von Belüftungs- und Entlüftungstechniken sowie relevante Normen in unserem Download-Bereich. Dort finden Sie praktische Berechnungsbeispiele und Grundsatzinformationen aus dem HL-Katalog, die Ihnen helfen, Ihre Projekte erfolgreich umzusetzen und unerwünschte Nebeneffekte wie Geruchsentwicklung oder Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Wenn Sie mehr zum Thema Normen erfahren wollen dann melde Sie sich zu einer Schulungen an:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert